Erläuterung der Wappenteile

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Marie Gertrude 
Reichsgräfin
von Berlepsch

Fürstin und Äbtissin des Stifts zu den Engeln in Prag
(1654 - 1723)

und ihre beiden Söhne
- Reichsgraf Sittich Herbold von Berlepsch (1673 -1712)
 
gewohnt und beerdigt in Geisenheim,
- Reichsgraf Peter Philipp Josef von Berlepsch (1676 - 1721)
.  
sowie Ihre Enkelin (älteste Tochter von Sittich Herbold):
- - Marie Anna Josephe von Berlepsch (geb. 1700)
    Äbtissin des Clarissinnenordens-Kloster in Mainz.

Marie Gertrude, geborene Wolff von Gudenberg aus Hessen, wurde 1672 mit Wilhelm Ludwig von Berlepsch (3.3.1639 - 1676) vermählt, der als Fähnrich in würzburgischen Diensten 1676 bei der Belagerung von Philippsburg von 3 Kugeln am rechten Arm und im Schulterblatt schwer verwundet wurde und anschließend in Speyer den Verwundungen erlag.

Als ihr Gatte starb war sie erst 22 Jahre alt. Ihr erster Sohn Sittich Herbold  (3.1.1673 - 30.3.1712) war 3 Jahre alt und ihr zweiter Sohn Peter Philipp Josef (11.11.1676 - 24.6.1721) wurde erst nach des Vaters Ableben geboren. Als Frau schutzlos war sie den Widrigkeiten der Zeit ausgesetzt. Als sie das Kind 1680 durch einen evangelischen Pfarrer taufen ließ sah der Abt dies als Eingriff in seine Hoheitsrechte an, ließ das Schloß Eichenzell mit Wachen umstellen und belegte sie mit 200 Gulden Strafe (der Wert von ca. 200 Hausschweinen), weitere 300 Goldgulden androhend, wenn sie nicht binnen 24 Stunden den katholischen Ortspfarrer bestelle. Sie beugte sich nicht, sondern berief sich auf die Gerechtsame der Ritterschaft. Auch mit ihrem Vetter, dem Obersten Joh.Phillip kam sie in Streit, indem dieser das ihm versetzte Fünftel an Eichenzell dem Stifte Fulda überließ und bei dieser Gelegenheit gegenseitige Forderungen zur Sprache kamen. Bei der zerrütteten Verfassung ihrer Vermögensverhältnisse, zumal unter den obwaltenden Umständen, war die Lage der Witwe eine wahrhaft trostlose.

Sie fand deshalb auch Teilnahme. Schon 1680 nahm sie der Kaiser in seinen Schutz und ums Jahr 1684 erhielt sie die Stelle als zweite Hofmeisterin in dem Hofstaate der ersten Gemahlin des Pfalzgrafen Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg, des späteren Kurfürsten. In diesem Dienste blieb sie 5 Jahre bis zum Tode der Kurfürstin (1689) und kam dann auf Empfehlung des Kurfürsten als Oberhofmeisterin zu der ersten Gemahlin des Pfalzgrafen und nachherigen Kurfürsten Karl Philipp nach Neuburg an der Donau.

Als nun bald nachher die Schwester dieses Kurfürsten, Marie Anna, dem König Karl II. von Spanien vermählt wurde, ersah man sie als Oberhofmeisterin derselben, und 1690 ging sie mit dieser nach Spanien und wurde bald zur Donna de Honora ernannt. Damit beginnt ihre Bedeutung in der Geschichte, denn sie war berufen eine Reihe von Jahren den entschiedensten Einfluß auf die Geschichte Spaniens und damit auch auf Europa auszuüben. Es galt das österreichische Interesse bei dem voraussichtlichen Aussterben des spanisch-habsburgischen Hauses zu wahren und hierfür gewann man die Vertraute der Königin nämlich Marie Gertrude von Berlepsch. Dies wußte sie denn auch sich zu Nutze zu machen.

Nicht nur daß ihr mächtiger Einfluß auf die Besetzung selbst der wichtigsten Staatsämter eine üppige Einnahmequelle wurde, sie wurde auch von den verschiedenen Parteien, welche um das spanische Erbe warben, reich bezahlt, um das Interesse der einflußreichen Frau zu gewinnen. Ihr Einfluß war so stark begründet, daß alle Anstrengungen diesen zu erschüttern fruchtlos waren. Am 5.August 1695 erhob der Kaiser die Witwe und ihre beiden Söhne, Sittich Herbold (ruht im Rheingauer Dom zu Geisenheim) und Peter Phil. Josef, in den Reichsgrafenstand um sie fester an sich zu knüpfen.

Indessen steigerte sich der Hass der Spanier gegen die deutsche Umgebung der Königin immer mehr und namentlich gegen die Oberhofmeisterin. Ende März 1700 verließ sie Madrid, ebenso reich als sie ehemals arm gewesen und ging über Barcelona nach Italien und von da nach Wien. 1704 erteilte ihr Kaiser Leopold das böhmische Landsassiāt (Landsassenrecht) und 1705 dehnte Kaiser Josef I. ihren und ihrer Söhne Reichsgrafenstand auch auf Böhmen, Mähren und Schlesien aus. 1706 wurde die Gräfin zur ersten Äbtissin des neugegründeten englischen weltlichen Fräulein-Stiftes in der Neustadt Prag gewählt. Am 22.September 1706 erteilte der Kaiser der jeweiligen Äbtissin des Stiftes den Reichsfürstenstand und bestimmte, daß das Stift in Zukunft das Berlepsche Wappen führen sollte.

Marie Gertrude Reichsgräfin von Berlepsch, Fürstin und Äbtissin des Stifts zu den Engeln in Prag (1654 - 1723)

Sie erwarb für sich und ihre Söhne mehrere Besitzungen. So löste sie 1697 auch das an das Stift Fulda verpfändete Fünftel wieder ein und brachte Eichenzell wieder an sich. Als 1699 sich der alte Streit mit dem Abt wieder erneuerte ging sie diesem aus dem Wege und verkaufte es ihm für 71.000 Gulden. Im gleichen Jahr erwarb sie für 285.000 Gulden die Reichsherrschaft Mylendonk an der Niers im Stifte Köln und hier lebte sie auch bis zu ihrem Tode 1723, wo sie auch beigesetzt wurde.


Detail aus ihrem Wappen

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 Rheingauer Dom zu Geisenheim

Beide Söhne starben vor der Mutter. Sittich Herbold war der ältere Sohn. Wir finden ihn als kaiserlichen und kurpfälzischen Kammerherrn und Geheimrat, als Komptur des Ordens von Alcantarra zu Belvis in Navarra, als Gouverneur von Böntsch im Hennegau und in den letzten Jahren König Karls II. als polnischer Botschafter in Madrid. Er starb auf dem von ihm nach 1700 angekauften Kronberger Hof in Geisenheim im Rheingau am 30.März 1712 und wurde im Rheingauer Dom zu Geisenheim vor dem Altar beigesetzt.

Unterschrift von Sittich Herbold von Berlepsch.

Das Grab mit Grabstein ( 225 x 110 cm) befand sich ursprünglich vor dem Altar in

der Stadtkirche Geisenheim, durch Fliesen abgedeckt und nicht sichtbar. 

1964 kam es beim Verlegen von Heizungsrohren zum Vorschein. Im Grab sollen noch Uniformsteile, Knochen und Haare vorhanden gewesen sein. Die Grabplatte war in hervorragendem Zustand und sollte im Eingangsraum der Kirche angebracht werden. Sie landete jedoch an der nördlichen Außenwand der Kirche (siehe Foto 1983), wo der weiche Sandstein aber sehr schnell Schaden nahm. 

1989 wurde sie, anlässlich einer umfangreichen Kirchenrenovierung, wieder abgenommen und hinter der Kirche durch Holzbretter abgedeckt  abgelegt. 

 Der Text auf der Platte kündet von dem einst hochangesehenen

Reichsgrafen Sittich Herbold von Berlepsch (30.3.1712 mit 39 Jahren).

Die lateinische Inschrift (180 Worte) erklärt, er habe gelebt, wie er zu sterben wünschte. In früher Jugend habe er nach männlicher Tugend (virtus) zu streben begonnen, am Hofe des Pfalzgrafen habe er sie verfeinert, am Hofe zu Wien und Madrid vollendet. Er sei Diener des erhabenen Kaiser Josef (I., 1705 – 1711) gewesen, aber Meister seiner selbst geblieben. Sein Licht habe in die mächtigsten Reiche und Provinzen ausgestrahlt: nach Spanien, wo er Ritter von Alcantara, Kämmerer König Karls II. und Gouverneur in Brabant war; nach Polen, wo er als Gesandter wirkte, nach Portugal als Reisemarschall (itinerum syndomus) des Deutschordensmeisters, nach Deutschland als kurpfälzischer Geheimer Rat, nach Navarra als Komtur von Belois, überall ein Führer und Gefährte der Tugend.

(Quelle: Struck, Geschichte der Stadt Geisenheim, 1972, S.51)

 

Dank der langwierigen, umfang- und hindernisreichen Bemühungen des "Förderkreis Kulturdenkmäler Geisenheim e.V." unter der Leitung seines Vorsitzenden Herrn Prof. Dr. Paul Claus ist es dem Verein im Jahre 2004 dankenswerterweise  gelungen, daß die Grabplatte,  jetzt an der Südaußenseite der Kirche, wieder angebracht werden durfte.

Die dafür erforderlichen finanziellen Mittel hat je zur Hälfte die Kirche beigesteuert und der Verein durch mehrere erbetene Spenden zusammengetragen. Die Platte wurde am 18.Juni 2004 manuell gereinigt und in Edelstahlhalterungen eingesetzt und über der Platte ein Regen abweisendes Zinkblech angebracht.

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Sein jüngerer Bruder Peter Philipp Josef (11.11.1676 - 24.6.1721) war ein Krüppel, der ohne Stock nicht zu gehen vermochte. Dessen ungeachtet bewirkte der mächtige Einfluss der Mutter, dass ihm 1696 der Papst ein Kanonikat am Dome zu Konstanz erteilte, und weil die kanonischen Gesetze solche Leibesgebrechen von dem Priestertume ausschlossen, ihn sogar von den gesetzlichen Hindernissen entband. Das bischöfliche Kapitel bot alles gegen ihn auf, es wendete sich nicht nur an die anderen bischöflichen Kapitel in Deutschland, sondern auch an den Reichstag und selbst an den Kaiser und brachten es endlich dahin, daß der aufgedrungene Domherr mit einer Pension abgefunden wurde. Er wurde nachher kaiserlicher Kammerherr und wirklich geheimer Rat und Reichshofrat, sowie Archimandrit (Ehrentitel von Klosterpriestern mit besonderen Aufgaben) von Messina und spanischer Gesandter in Wien. Er starb 1721 in Wien.

* * *

Sittich Herbolds älteste Tochter Maria Anna von Berlepsch (geb. 12.1.1700), war schon 1739 Äbtissin des Clarissinnenordens-Klosters in Mainz.
In der Antoniuskirche in Mainz ( Clarastraße) befindet sich eine gut erhaltene und reich beschriftete Grabplatte aus dem Jahre 1744.

 

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