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Dr.
phil. et Dr. jur.h.c. Hans Hermann Freiherr v.Berlepsch
Rechtsritter des Johanniter-Ordens, Mitglied im Konvent.
Kgl.Preuß. Staatsminister (1890 - 1896) für Handel und
Gewerbe.
* Dresden 30.3.1843, + Seebach
(Kr.Langensalza)
2.6.1926, wurde 1872 Landrat in Kattowitz, 1881 RegVize-Präs. in Koblenz, 1884
RegPräs. in Düsseldorf, Okt. 1889 Ober-Präs. der Rheinprovinz. Als Kenner der
industriellen Verhältnisse im O und W wurde er am 31.1.1890 preuß. Min. für
Handel und Gewerbe, unterstütze Caprivis Handelpolitik, leitete die internat.
Arbeiterschutzkonferenz in Berlin im März 1890 und brachte 1891 die Novelle zur
Gewerbeordnung zustande. Auch als er infolge des wachsenden Widerstandes
kapitalistischer Kreise gegen sozialpol. Reformen (Ära Stumm) im Juni 1896
zurücktrat, blieb er weiter für die Arbeiterschaft tätig. B. half die Internat.
Vereinigung für gesetzl. Arbeiterschutz gründen und wurde Vors. der Dt. Ges. für
soziale Reform.
Hauptwerke: Warum betreiben wir soziale Reform? (1903),
Sozialpol. Erfahrungen u. Erinnerungen (1934).
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"Würde auch im
Arbeitsverhältnis." |
der folgende Text ist ein Auszug aus dem Buch von
Hans-Jörg Freiherr v.Berlepsch "Neuer Kurs im Kaiserreich? Die Arbeiterpolitik
des Freiherrn v.Berlepsch 1890 - 1896." Verlag Neue Gesellschaft, Bonn 1987. 485
Seiten.
Unser System der sozialen Sicherung geht auf die
Sozialgesetzgebung des "Eisernen Kanzlers" zurück und ist noch heute eine
tragende Säule. Daß aber mit dem Abgang Bismarcks auch eine neue Phase der
Sozialpolitik begann, ist weithin unbekannt. Diese Politik des "Neuen Kurses"
ist mit dem Namen und der Person des Hans Hermann Freiherrn v. Berlepsch
verbunden, den der junge Kaiser Wilhelm II. 1890 zum preußischen Handelsminister
berief. Sein Urenkel Hans-Jörg Freiherr v.Berlepsch hat in seiner Dissertation
den "Neuen Kurs" einer gründlichen Untersuchung unterzogen, die in
überarbeiteter und gekürzter Form als Buch erschienen ist.
Bereits der
Begriff "Neuer Kurs" signalisiert die Bedeutung des Themas. Er ist weder von den
Leitfiguren (Kaiser Wilhelm II., Kanzler Caprivi) noch von Historikern geprägt,
sondern von der zeitgenössischen Presse, in Abgrenzung zum alten Kurs Bismarcks,
und umschreibt etwa das amtliche Wirken Berlepschs bis zu seinem Rücktritt 1896.
Dabei ist ,,Neuer Kurs" umfassend zu verstehen, nicht nur in Bezug auf Außen-,
Wirtschafts- und Innenpolitik, sondern eben auch auf Sozialpolitik, die
wesentlich durch Berlepsch geprägt wurde.
Hans Hermann Freiherr
v.Berlepsch (1843-1926) stammte aus einer begüterten Familie des sächsischen
Landadels, war also durch seine Herkunft keineswegs zum Sozialreformer
prädestiniert. Er studierte Rechts- und Sozialwissenschaften und schlug dann die
preußische Beamtenlaufbahn ein. Nach einem kurzen Zwischenspiel als Minister
eines mitteldeutschen Kleinstaates kam der damals den Freikonservativen
nahestehende Berlepsch 1881 ins preußische Innenministerium. 1884 wurde er
Regierungspräsident der Rheinprovinz und amtierte hier sechs Jahre lang.
Rückblickend sah er seine Düsseldorfer Jahre als Lehrzeit in der Sozialpolitik.
Hatte er zehn Jahre zuvor (als Landrat von Kattowitz) lediglich Mitleid mit den
Arbeitern empfunden und den Unternehmern selbstherrliches Patriarchentum als
selbstverständlich zugestanden, so änderte sich unter dem Einfluß einiger
Mitarbeiter und durch direktes Erleben der Arbeitersituation in einer
ausgesprochenen Wirtschaftsflaute seine Haltung erheblich. Noch im ersten
Amtsjahr versuchte er, die preußische Regierung zu umfassenden Reformen zu
ermuntern: gesetzlicher Maximalarbeitstag, verschärfter Arbeitsschutz für Frauen
und Jugendliche, Recht auf gewinnbringende (!) Arbeit. Solchen verwegenen, sogar
utopisch-revolutionären Forderungen stand das sozialpolitische Konzept Bismarcks
entgegen. Im großen Bergarbeiterstreik 1889 gelang es Berlepsch allerdings, auch
bei Bismarck Pluspunkte zu sammeln. Nur in seinem Amtsbereich hatten die
Behörden gelassen reagiert, sogar zwischen Streikenden und Zechenleitungen zu
vermitteln versucht. Berlepschs Vorstellungen fanden das Interesse Wilhelms II.,
der gerade dabei war, sich als "Arbeiterkaiser" zu profilieren und damit in
Konfrontation zu seinem Kanzler geriet. Als Berater für seine spektakulären
sozialpolitischen Februarerlasse 1890 nannte er ausdrücklich Berlepsch. Als
Bismarck sich 1890 schließlich von der Arbeiterpolitik zurückzog, empfahl er dem
jungen Kaiser Berlepsch als preußischen Minister für Handel und Gewerbe. Wilhelm
II. stimmte zu, und Berlepsch konnte mit der Verwirklichung seines
Sozialprogramms beginnen.
Die Reformpolitik des ,,Neuen Kurses" bewegte
sich zwischen den beiden Polen Arbeiterschutz und Arbeiterberufsvereinsrecht.
Dabei beschritt Berlepsch mit seinen Mitarbeitern nur den bürokratischen, nicht
den politischen Weg der Sozialreform, dessen Notwendigkeit sie nicht erkannten
und dessen Chance sie nicht nutzten. Ihrem Selbstverständnis nach gehörte es
lediglich zu ihren Aufgaben, auf legislativem und administrativem Wege die
kaiserlichen Erlasse von 1890 zu erfüllen. Primär sollte die von Bismarck 1877
abrupt beendete Arbeiterschutzpolitik wieder aufgenommen und fortentwickelt
werden. Dann wollte Berlepsch durch eine Reform des Arbeiterberufsvereinsrechts
den Bewegungsspielraum der Gewerkschaften erweitern. Fernziel war dabei, ein
annäherndes Kräftegleichgewicht zwischen Arbeitern und Arbeitgebern in
Tarifkämpfen zu erreichen. Schließlich war geplant, auch die Sozialversicherung
zu verbessern.
Erste greifbare Erfolge erzielten die Reformer mit der als
,,Lex Berlepsch" bekannt gewordenen Gewerbeordnungsnovelle von 1891. In diesem
Arbeiterschutzgesetz wurden die ersten Grundlagen des öffentlichen Arbeitsrechts
formuliert. Das Arbeitsvertragsverhältnis verlor teilweise seinen privaten
Charakter und wurde öffentlich-rechtlich normiert. Maßregeln gegen
Arbeitskampfmethoden relativierten dagegen diese Stärkung der Rechte des
Arbeitnehmers. Die wesentliche Bedeutung der ,,Lex Berlepsch" liegt aber vor
allem in den Arbeiterschutzvorschriften, in der Einsetzung einer
arbeiterstatistischen Instanz und im Ausbau der Gewerbeaufsicht. Hier zeigen
sich erste vorbeugende sozialstaatliche Maßnahmen.
Zunächst hatten
Wirtschaftsliberale und Konservative, Unternehmer- und Handwerkerverbände die
Auswirkungen der Novelle nicht durchschaut. Als aber weitere Reformvorhaben
bekannt wurden, setzte ein konzentrierter Kampf dieser Kreise gegen die gesamte
Sozialpolitik ein, die seit 1890 betrieben wurde. Durch die Veröffentlichungen
der Kommission für Arbeiterstatistik im "Reichsanzeiger" fühlte sich die
deutsche Arbeitgeberschaft auf die Anklagebank gesetzt. Letztlich handelte es
sich um einen Aufruf an Staat und Gesetzgeber, die hohen Gesundheitsrisiken für
Arbeiter endlich zur Kenntnis zu nehmen und dagegen einzuschreiten. Eine solche
Sozialpolitik aber war Anfang der achtziger Jahre durch das Zusammenspiel von
Industrie und Bismarck erfolgreich verhindert worden. Wütende Angriffe führten
schließlich zum Erfolg: 1896 mußte Berlepsch zurücktreten.
In Berlepschs "Sozialpolitischen Erfahrungen und Erinnerungen" (1925)
wird deutlich, welchen inneren Wandel er selbst in seiner Amtszeit vollzogen
hat. Zu Beginn der neunziger Jahre vertrat er noch einen kompromißlosen Kurs
gegen die Sozialdemokratie. Doch dann machte sich bei ihm die Überzeugung breit,
daß der Vernichtungsfeldzug gegen die Arbeiterbewegung der falsche Weg war. Es
mußte vielmehr darum gehen, realistische Elemente in der Arbeiterpartei zu
stärken. Man hätte erreichen müssen, schreibt er, daß "die Würde des Menschen
und Staatsbürgers auch im Arbeitsverhältnis zur Geltung kommt".
Die Möglichkeit, eine so verstandene Sozialpolitik zu verwirklichen,
bestand, wenn überhaupt, 1890. Die verantwortlichen Sozialpolitiker, allen voran
Berlepsch, konnten aber die Sozialreform gegen den massiven Widerstand von
Arbeitgeberverbänden, Agrariern und Handwerksorganisationen nicht durchdrücken.
Schließlich verdrängte die sozialimperialistische Politik des Wilhelminismus mit
ihrer Forderung nach einem "Platz an der Sonne" die Sozialpolitik des "Neuen
Kurses."

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