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Martin Luther und Hans von Berlepsch

Der folgende Text ist ein genehmigter Auszug aus der gleichnamigen Veröffentlichung von Herrn Prof. Dr. Dr. Otto Böcher (Universität Mainz). Die vollständige Veröffentlichung, mit Bildern und umfangreichen Quellen- und Literaturangaben, kann bezogen werden bei:  Johanniter-Ordenshaus Nieder-Weisel, D-35510 Butzbach - Nieder-Weisel.
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Vorwort.

Unter denjenigen Vertretern des ritterschaftlichen Adel, welche sich früh zu Martin Luther und seiner Lehre bekannten, - u.a. Franz von Sickingen, Ulrich von Hutten, Hans Landschad von Steinach, Hermann von dem Busche und Hartmut von Kronberg -, kommt dem Amtmann und Schloßhauptmann der Wartburg, Hans von Berlepsch (ca. 1480 - 1533), eine besondere Bedeutung zu: Er bewachte und betreute vom 4. Mai 1521 bis zum 1. März 1522 den Staatsgefangenen Martin Luther, mit dem ihn bald eine Freundschaft verband, die theologische Diskussionen einschloß. Daß Hans von Berlepsch heute nur wenig bekannt ist, beruht vor allem auf der Tatsache, daß Luthers Haftlokal, die Wartburg, auch nach 1522 offiziell geheim gehalten wurde.
 

Zeitgeschichtliche Voraussetzungen.

Die drei ersten Jahrzehnte des 16.Jahrhunderts waren eine Zeit mannigfacher Krisen und Umbrüche. Das Mittelalter war vorüber, mag man nun mit dem Fall Konstantinopels (1453), mit der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern (1468: Tod Johannes Gutenbergs in Mainz), mit der Entdeckung Amerikas (1492) oder mit dem Aufkommen der Feuerwaffen gleichsetzen. Schließlich sei noch die seit dem späten 15.Jahrhundert ständig wachsende Spannung zwischen einer glühenden Frömmigkeit des Volkes und der Orden einerseits und einer immer mehr in weltliche, macht- und prunkliebende Strukturen abgleitende Papstkirche andererseite genannt; bekanntlich entlud diese Spannung sich in der Reformation.

So ist Martin Luther (1483-1546) , der Bettelmönch und Reformator, der zweifellos berühmteste Repräsentant dieser Krisenzeit, soweit es sich um ihre theologischen kirchliche Aspekte handelt. Dagegen vertritt Hans von Berlepsch (ca. 1480-1533), mit dem Luther erst 1521 in späten aber intensiven Kontakt getreten ist, denjenigen Stand, der gleichfalls in eine existenzbedrohende Krise geraten war: den ritterschaftlichen Adel.

Mit der Verbreitung der Feuerwaffen versuchte jeder so gut wie er es konnte seine Behausung oder Zufluchtsstätte zu vermauern und mit Kriegsgerät auszurüsten. Im Inneren der Burgen bewirkten winzige Höfe, kleine unbeheizte Zimmer und niedrige Decken, daß eine durchschnittliche Burg jedem großen Bauernhof an Bequemlichkeit nachstand. Ulrich von Hutten (1488-1523) schildert in einem Brief an seinem Freund, dem Nürnberger Patrizier Willibald Pirkheimer (1470-1530), die väterliche Burg Steckelberg bei Schlüchtern folgendermaßen: "Die Burg ... ist nicht gebaut, um schön, sondern um fest zu sein; von Wald und Graben umgeben, innen eng, da sie durch die Stallungen für Vieh und Herden versperrt wird. Daneben liegen die dunklen Kammern, angefüllt mit Geschützen, Pech, Schwefel zu dem übrigen Zubehör der Waffen und Kriegswerkzeuge. Überall stinkt es nach Pulver, dazu kommen die Hunde mit ihrem Dreck, eine liebliche Angelegenheit, wie sich denken läßt, und ein feiner Duft. Reiter kommen und gehen, unter ihnen sind Räuber und Diebe und Banditen. Denn fast für alle stehen unsere Häuser offen, entweder weil wir nicht wissen können, wer einer ist, oder weil wir nicht danach fragen. Man hört das Blöken der Schafe, das Brüllen der Rinder, das Hundegebell, das Rufen der Arbeiter auf dem Felde, das Knarren und Rattern; ja wahrhaftig, auch das Heulen der Wölfe wird im Haus vernehmbar, da der Wald so nahe ist."


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Luthers Gefangennahme und Verbringung auf die Wartburg.

Vom 16. bis zum 26. April 1521 weilte Martin Luther in Worms; am 17. und 18. April fand sein Verhör vor dem Reichstag statt. Unmittelbar vor dem Aufbruch, am Abend des 25.April, wurde Luther darüber informiert, sein Landesherr, Kurfürst Friedrich von Sachsen, habe mit seinen Räten erwogen, den Wittenberger Universitätsprofessor auf der Heimreise "einzutun", um ihn zu schützen.

Etwa 20 Reiter - nach Aleander im Auftrage von Franz von Sickingen - gaben am 26.April Luther das Geleit von Worms bis Oppenheim; für die Durchquerung Hessens hatte Landgraf Philipp (reg. 1518-1567) einen Geleitbrief ausgestellt. Von Oppenheim an begleitete der Reichsherold Kaspar Sturm die Reisegesellschaft; in zwei Wagen fuhren Martin Luther und fünf Begleiter, darunter Nikolaus von Amsdorf, Justus Jonas und Luthers Ordensbruder Johannes Zacharias Petzensteiner. Über Frankfurt am Main, Friedberg, Grünberg und Hersfeld gelangten die sechs nach Eisenach, wo sie am 1. oder 2.Mai eintrafen. Im Verlaufe des 3.Mai ließ man in Eisenach Luther die Anweisung zukommen, nicht die große Heerstraße nach Gotha zu benutzen, sondern eine Seitenstraße, die über Altenstein, Schweina und Waltershausen gleichfalls nach Gotha führt; als Vorwand für diesen Umweg ließ sich ein Besuch bei Luthers Verwandten in Möhra nutzen. Am 4.Mai hielt Luther vor der Kirche, der Pfarrer verschloß aus Angst vor nachträglichen Vorwürfen die Kirche, einen gutbesuchten Gottesdienst und seine Verwandten begleiteten ihn noch ein gutes Stück bis sie umkehren mußten, um vor Dunkelheit wieder zu Hause zu sein.

Wenige Minuten vor 6 Uhr abends zwangen vier oder fünf Reiter unterhalb der Burg Altenstein Luthers Reisewagen zum Halten, rissen Luther aus dem Wagen, während Amsdorf zum Schein laut schrie und Petzensteiner, der nicht eingeweiht war und den Überfall für echt hielt, entfloh. Luther mußte zunächst, wie ein echter Gefangener, zu Fuß neben den Reitern herlaufen. Erst als der Wagen mit Amsdorf verschwunden war, gaben sich die Reiter zu erkennen und setzten ihn auf ein Pferd. Als Mönch ein "ungeübter Reiter", traf Luther müde nach langem Umweg, dem Verwischen der Spuren dienendem Kreuz- und Querreiten gegen elf Uhr nachts auf der Wartburg ein.

Hier erwarteten ihn zwei offensichtlich befreundete Ritter: Hans von Sternberg und Hans von Berlepsch, der Schloßhauptmann der Wartburg. Beide Herren empfingen Luther freundlich; Berlepsch, der offensichtlich den Scheinüberfall organisiert hatte, ließ dem Ankömmling sogleich sein Ordensgewand wegnehmen und ihn mit schon bereitgelegter ritterlicher Gewandung bekleiden. Martin Luther, damals 37 Jahre alt, sollte als adliger Staatsgefangener erscheinen; der fiktive" Junker Jörg" mußte sich daher zunächst Haupt- und Barthaar wachsen lassen, ehe er die ihm zugewiesenen beiden Räume des "Rittergefängnisses" der Wartburg verlassen durfte.

Hans von Berlepsch hatte nicht nur die Aufgabe, Luther nach außen abzuschirmen und seine Versorgung mit Nahrung (regelmäßig morgens um 10 Uhr und abends um 5 Uhr) und Kleidung zu überwachen, sondern auch die delikate Pflicht, die politisch bedingte Metamorphose Luthers glaubwürdig erscheinen zu lassen, kurz den Bettelmönch zu einem Adligen zu erziehen. Nicht nur die Künste des Reitens und der Jagd, vielleicht auch die Anfangsgründe des Umgangs mit dem Schwert zu üben, sondern das gesamte Auftreten als Edelmann, das Gehen, Stehen und Lachen. Einzig den Weingenuß mußte Luther nicht eigens erlernen. Darüber entwickelte sich zwischen beiden eine Freundschaft, die bis zu Berlepsch relativ frühen Tode (1533) andauerte; Luther hat auch theologische Interessen Berlepschs zu wecken verstanden und ihm später seine Publikationen verehrt.

Luther predigt auf der Wartburg vor seinem Gastgeber Hans von Berlepsch und seiner Familie.  (Hugo Vogel, 1882)

Luther predigt auf der Wartburg vor seinem Gastgeber
Hans von Berlepsch und seiner Familie. 
(Hugo Vogel, 1882)

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Über dem Eingangstor befand sich die Wohnung des Burgamtmanns.
Rechts im Bild sind die beiden Doppelfenster der Kapelle zu sehen.

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Hans von Berlepsch und seine Familie

Die Berlepsch (Luther schreibt phonetisch Berlips) sind ein Uradeliges, ursprünglich niedersächsisches, seit dem 14.Jahrhundert auch hessisches Geschlecht. Der älteste urkundlich erwähnte Vorfahr ist Konrad der Ältere (gest. vor 1271); namensgebend war eine Burg Berlevessen (Barlissen) bei Göttingen. Nach der Zerstörung dieser Burg (1369) ging der Name (Berlevs, Berleps) auf eine neu erbaute Burg bei Witzenhausen in Hessen über; gleichzeitig erwarben die Berlepsch, nunmehr der althessischen Ritterschaft angehörig , das Amt des hessischen Erbkämmerers, das seit dieser Zeit ununterbrochen bis heute von einem Berlepsch wahrgenommen wird. Als Wappen führt die noch heute blühende Familie fünf grüne Sittiche (2:2:1 gestellt) im goldenen Schild.

Hans von Berlepschs Bruder Jost (gest. 1548) kämpfte in der Sickinger Fehde 1523 auf der Seite des Landgrafen Phillip von Hessen gegen Franz von Sickingen, was bei der engen Bindung der Familie an Hessen nicht verwunderlich ist. Ein Vetter, Sittich von Berlepsch (1480-1564), ein Sohn des Vaterbruders Phillip von Berlepsch (gest. nach 1494) war Amtmann von Langensalza im Bauernkrieg ein unbarmherziger Gegner der aufständischen Bauern (1525).

Offensichtlich war Hans von Berlepsch mindestens zweimal verheiratet. "Hans von Berlips Fraw", von der Luther noch kurz vor seinem Tode im Tischgespräch zu Eisleben (1546) erzählt, sie hätte ihn auf der Wartburg gern gesehen, muß bald nach Luthers Wartburgaufenthalt gestorben sein, denn Hans von Berlepsch heiratete am 24.März (Februar?) 1523 in Eisenach Beate von und zu Ebeleben (gest. 2.8.1569). Alle heute lebenden Berlepsch sind Nachkommen des Hans von Berlepsch.
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Auf der Wartburg (1521/22)

Bereits im Herbst 1517 ernannte Kurfürst Friedrich III., der Weise, von Sachsen (reg. 1486-1525) Hans von Berlepsch zum Ernestinischen Amtmann der Wartburg. Zuvor war Berlepsch u.a. als Amtmann des hessischen Schlosses Spangenberg tätig (um 1500). Ein besonderes Vertrauensverhältnis verband ihn mit dem Bruder des Kurfürsten Friedrich, dem sächsischen Herzog und späteren Kurfürsten Johann dem Beständigen (1468-1532), Mitregent seines Bruders (1486), als Kurfürst dessen Nachfolger (1525). Im Auftrag Herzog Johanns verhandelte Berlepsch im September 1514 (Landtag zu Felsberg) mit Kaiser Maximilian I. (reg. 1486-1519) über die Vormundschaftsverwaltung Hessens durch die sächsischen Ernestiner; im Juni 1517 teilte Berlepsch dem Kaiser mit, daß Kurfürst Friedrich seiner Bitte um Waffenhilfe gegen Franz von Sickingen nicht nachkomme.

Johann von Sachsen war schon früh ein Anhänger Luthers, und dasselbe dürfte für Hans von Berlepsch gelten; beide haben nach 1521/22 die evangelische Sache bewußt gefördert. Berlepsch gehört durchaus in die Reihe derjenigen Vertreter des ritterschaftlichen Adels, denen die Reformatoren Schutz und Hilfe verdanken. Die Wahl der Wartburg zu Luthers Schutzhaftlokal dürfte weniger durch die Grenznähe zu Hessen als durch die Tatsache bestimmt gewesen sein, daß hier der notorische Lutheraner Hans von Berlepsch Schloßhauptmann war. Offensichtlich waren Kurfürst Friedrich und sein Bruder Johann nur umrißweise eingeweiht worden. Das ganze Unternehmen scheint zwischen Hans von Berlepsch, Burkhard Hundt von Wenkheim und dem kurfürstlichen Geheimsekretär Georg Spalatin (1484-1545) ausgehandelt worden zu sein. Herzog Johann erfuhr erst im September 1521 bei einem Besuch der Wartburg von Hans von Berlepsch, daß Luther hier verborgen wurde.

Martin Luther bewohnte eine Stube mit daneben befindlicher, schmaler Schlafkammer in der Nordburg, über der Wohnung des Schloßhauptmanns. Das Appartement diente auch sonst als Gefängnis für Standespersonen; die hinaufführende Treppe war beweglich und wurde nachts weggeschlossen. Die Frucht von Luthers Wartburgaufenthalt war bekanntlich, neben einer Reihe kleinerer Schriften, die Übersetzung des Neuen Testaments ins Deutsche, die im September 1522 in Wittenberg erschien und daher als Septembertestament bezeichnet wird.

Erst am 12.Mai 1521 darf Luther seinen ersten Brief von der Wartburg ausgehen lassen; an Nikolaus von Amsdorf schreibt er, zuvor verfaßte Briefe habe er "wieder zerrissen auf Anraten eines Mannes, der Bescheid weiß". Damit kann nur Hans von Berlepsch gemeint sein, dessen Namen Luther aus Geheimhaltungsgründen hier wie in allen seinen Wartburgbriefen bewußt verschweigt.

Am 10.Juni 1521 informiert Luther Georg Spalatin darüber, daß "der (Amt-) Mann dieses Ortes", nämlich Berlepsch, ihn weit über Gebühr, d.h. über seine Pflichten als Gastgeber hinaus, betreue (tractat me vir loci huius ultra meritum longe). In seinem Schreiben vom 15.August 1521 bittet Luther Spalatin um Auskunft darüber, ob Berlepsch ihn aus seinen privaten Mitteln oder auf Staatskosten verpflegt; er will dem freigebigen Schloßhauptmann nicht zur Last fallen.

Mit Hans von Berlepsch hat Luther offensichtlich auch theologische Probleme erörtert. Die Gespräche über menschliche Traditionen und Satzungen, worüber Berlepsch sich weitere Belehrungen erbat, fanden ihren Niederschlag in einer kleinen Schrift Luthers, "Von Menschenlehre zu meiden", die der Reformator gern Hans von Berlepsch im Druck gewidmet hätte, analog der Widmung seiner Schrift " Von der Beicht" an Franz von Sickingen. Die öffentliche Widmung wurde unterlassen, offenbar nicht zuletzt auf den Rat Spalatins, den Ort der Gefangenschaft Luthers auch weiterhin - nach Luthers Rückkehr von der Wartburg - geheimzuhalten. Um die Verbindung Luthers mit der Wartburg und ihrem Schloßhauptmann nicht allzu bekannt zu machen, blieb Hans von Berlepsch selbst der bescheidene Nachruhm einer gedruckten Namensnennung auf dem Titelblatt einer Lutherschrift versagt.
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Die Jahre 1522-1533

Trotz der Bedenken des Kurfürsten Friedrich, die dem Reformator am Abend des 28.Februar 1522 übermittelt wurde, verließ Luther am 1.März 1522, einem Samstag, die Wartburg, um nach Wittenberg zurückzukehren. Inzwischen der Reitkunst mächtig, reiste er zu Pferde; Haartracht, Bart und Kleidung waren noch die eines Adligen. Am 3.März 1522 übernachtete Luther im Gasthaus "Zum schwarzen Bären" in Jena, wo er mit zwei Schweizer Studenten diskutierte, die ihn für Ulrich von Hutten hielten. Martin Luther wirkte also wie ein humanistisch gebildeter Edelmann; Berlepsch konnte mit dem Erfolg seiner Bemühungen zufrieden sein.

Am Donnerstag den 6.März traf Martin Luther in Wittenberg bei Justus Jonas ein, der ihn zunächst nicht erkannte. Jonas ließ den Maler Lukas Cranach d.Ä. (1472-1533) holen, um "einen fremden Junker abzumalen"; auch Cranach erkannte Luther erst an der Stimme. Das von Cranach geschaffene Ölgemälde des "Junker Jörg" befindet sich heute in den Kunstsammlungen zu Weimar.

Auch nach seiner Ankunft in Wittenberg bleibt Luther mit Berlepsch in Kontakt; Mittelsmann ist weiterhin der kurfürstliche Geheimsekretär Georg Spalatin. Ihm übersendet Luther am 28.März 1522 Briefe und Bücher mit der Bitte, diese seine Schriften an Berlepsch weiterzuleiten; noch immer wird der Name des Schloßhauptmanns nicht genannt, doch umschreibt Luther ihn jetzt nicht mehr als hospes, sondern als eremita: Er hat Berlepsch gleichsam in der Wüste zurückgelassen.

Berlepsch setzt sich weiterhin für die reformatorische Sache ein. Aus einem Brief Hartmut von Kronbergs an Luther vom 14.April 1522 geht hervor, das Berlepsch das "Missive" Luthers im März 1522 an Kronberg geschickt haben muß. In rascher Folge läßt Luther durch Spalatin weitere Lutherschriften zu Berlepsch befördern, so am 21.April 1522 das Büchlein "Von beider Gestalt des Sakraments zu nehmen", Anfang Juni 1522 einige kleinere Schriften (hos libellos), am 25.September 1522 eines der ersten Exemplare des Septembertestaments und am 15.November 1522 ein Exemplar von "De votis monasticis". Am 21 April nennt Luther Berlepsch "mein Wirt im Reich der Vögel" (ad hospitem meum in volucrum regno); im Juni gibt er als Ziel der Sendung "das Reich der Vögel" und " den, welchen du kennst" an. Erstmals am 25.September, anläßlich der Übersendung der auf der Wartburg entstandenen Übersetzung des Neuen Testaments, nennt Luther wenigstens den Vornamen Berlepschs; sein Adressat ist "jener Johannes im Reich der Vögel". Die Wartburg ist ein Reich der im Wald nistenden Vögel; vielleicht denkt Luther, der bei Hans von Berlepsch vermutlich auch gewisse heraldische Studien getrieben hat, bei den Vögeln an die fünf Vögel im Familienwappen der Berlepsch, sodaß der Schloßhauptmann der Wartburg als ein Vogelkönig apostrophiert werden kann.

Ohne Zweifel hat Luther sich bei Berlepsch schriftlich bedankt, doch sind seine Briefe und die zugeschickten Druckschriften leider nicht erhalten. Sie sind vermutlich den Plünderungen und Zerstörungen des Bauernkrieges zum Opfer gefallen.

Hans von Berlepsch heiratete 1523, über ein Jahr nach dem Tode seiner Frau, in Eisenach Beate von und zu Ebeleben und kaufte im gleichen Jahr für die erneute Familiengründung die alte Wasserburg Seebach bei Mühlhausen in Thüringen.

Das Jahr des Bauernkriegs, 1522, wurde für Hans von Berlepsch ein Schicksalsjahr, das ihn aus der beruflichen Bahn warf und anscheinend auch die Kontakte zu Luther verkümmern ließ. Während des Einzuges der aufrührerischen Bauern in Salzungen am 24.April 1525 war Berlepsch noch auf der Wartburg und verfaßte einen Bericht an Herzog Johann. Wenig später erfuhr er, daß die aufständischen Bürger Mühlhausens das in der Nähe Seebachs gelegene Schlotheim eingenommen und - am 30.April - sein Schloßgut ausgeraubt und Frau und Kind entführt hatten. Jetzt verließ Berlepsch die Wartburg und eilte nach Mühlhausen, wo er und sein Schwager Hans von Ebeleben von den Aufständischen gefangengenommen und erst nach der Einnahme Mühlhausens durch die vereinigten Fürsten (am 25.Mai 1525) endlich wieder freigelassen wurde.

Danach hat Berlepsch seine Stellung als Amtmann und Schloßhauptmann der Wartburg verloren. Als Grund wird immer wieder genannt, er hätte die Wartburg nicht verlassen dürfen. Da Berlepsch jedoch auch vorher die Burg gelegentlich in der Obhut eines Vertreters ließ, um etwaige Aufträge seines Kurfürsten auszuführen, reicht diese Begründung alleine nicht aus. Näher liegt es, einen Zusammenhang des Schicksals Hans von Berlepsch mit dem Wechsel des Amt des sächsischen Kurfürsten anzunehmen; Friedrich der Weise starb am 5.Mai 1525, und Herzog Johann wurde sein Nachfolger. Zu denken gibt, daß auch Georg Spalatin aus seinem Dienst ausschied (10.Juli 1525), um eine Pfarrstelle in Altenburg zu übernehmen. Wurden etwa notorische Lutheraner politischen Interessen geopfert, etwa, um Herzog Georg von Sachsen (reg. 1500-1539) entgegenzukommen, der den Vorwurf der Desertion Berlepschs anscheinend aufgebracht hat, um diesen loszuwerden und nicht in voller Höhe entschädigen zu müssen? Fast sieht es so aus, als sei Berlepsch durch seine Absetzung nachträglich für seine Dienste an Luther und der Reformation bestraft worden.

In ebendiesem Krisenjahr 1525 wagte Martin Luther den Schritt in seine Ehe. Am 13.Juni 1525 traute ihn Johannes Bugenhagen in Wittenberg mit Katharina von Bora (1499-1552); aus der Ehe gingen sechs Kinder hervor, von denen jedoch nur 4 das Erwachsenenalter erreichten. Zwei Schwiegerkinder Luthers stammten, ebenso wie seine Frau, aus der Welt des ritterschaftlichen Adels, in die ihn Hans von Berlepsch eingeführt hatte: Anna von Warbeck (1532-1586), 1553 vermählt mit Dr.med. Paul Luther (1533-1593), und Georg von Kunheim (1532-1611), 1555 vermählt 22mit Margareta Luther (1534-1570).

Aus der 1523 geschlossenen Ehe Hans von Berlepsch mit Beate von Ebeleben entstammten 6 Kinder. Berlepsch trat 1526 in die Dienste der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg; 1530 begegnet er uns, ausgerechnet im Dienste des katholischen Herzogs Georg, als Stiftshauptmann des Damenstiftes Quedlinburg. Im Januar 1533 wechselte Berlepsch in die Dienste der gut lutherischen Grafen von Mansfeld über, starb jedoch schon am 9.Februar 1533 auf der Wasserburg Heldrungen, wo im Mai 1525 Thomas Münzer (hingerichtet am 27.Mai 1525) verhört worden war.
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Epilog

Ob Luther und Berlepsch, nach 300 Tagen intensiver und ständiger Lebensgemeinschaft in den Jahren 1521 und 1522, sich später noch einmal getroffen haben, wissen wir nicht; ihre Lebenswege führten nach 1525 in verschiedene Richtungen. Hans von Berlepsch, von dem Luther offenbar schon 1521 vermutete, er sei nicht mit irdischen Gütern gesegnet, hatte zweifellos bis zu seinem Tode mit wirtschaftlichen Sorgen zu kämpfen. Daß er sobald in mansfeldsche Dienste trat (1533), zeigt, daß er dem Luthertum die Treue gehalten hat. Der Begegnung mit dem Reformator hatte der Ritter zweifellos eine theologische Klärung seiner kirchenkritischen, vermutlich aus dem Bereich der "Gravamina der deutschen Nation" stammende Auffassung zu verdanken. Daß seine Reaktion auf die ihm von Luther übersandten Schriften verloren sind, ist beklagenswert.

Schwerer ist zu definieren, was Luther der Begegnung mit Berlepsch verdankte. Zunächst hat es der Schloßhauptmann verstanden, Luther nicht nur mit Kleidung, Essen und Trinken zu versorgen, sondern durch kluge Gespräche und menschliche Anteilnahme vor dem Versinken in Depressionen zu bewahren. Seine von Luther immer gerühmte hospitalitas war eine ritterliche Tugend im edelsten Sinn. Darüber hinaus hat er Luther die Umgangsformen der "großen Welt" vermittelt und den ehemaligen Bettelmönch dadurch in den Stand gesetzt, mit weltlichen und kirchlichen Fürsten zu verkehren, daß man ihn ernst nehmen mußte. Freilich: einen Freund des edlen Waidwerkes aus Luther zu machen, ist ihm nicht gelungen (siehe Beilage).
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Beilage 1

Auszug aus einem Brief Martin Luthers an Georg Spalatin vom 15.August 1521:

"Wie ich mein Exil ertrage, soll Dir keine Sorgen machen. Mir ist nämlich gleich, wo ich mich aufhalte. Ich möchte nur nicht diesen Leuten zur Last fallen und beschwerlich werden. Ich glaube aber bestimmt, daß ich hier auf Kosten unseres Fürsten lebe. Sonst würde ich keine Stunde hier aushalten, wenn ich erfahre, daß ich die Habe diese Mannes verzehre, obwohl er mir alles freundlich und gern zur Verfügung stellt. Denn Du weißt: Wenn die Mittel irgendeines Menschen vertilgt werden müssen, dann sind es die der Fürsten. Denn ein Fürst und zugleich kein Räuber sein, das ist entweder gar nicht oder kaum möglich, und je mächtiger der Fürst ist, wird er auch ein desto größerer Räuber sein. Du würdest mir einen Gefallen tun, wenn Du mir darüber Klarheit verschaffst. Denn von diesem freigiebigen Mann kann ich nichts anderes erfahren, als daß er mich aus der Schatulle des Fürsten versorgt. Aber das ist meine Art, daß ich fürchte zur Last zu fallen, wo ich vielleicht keine Last bin. Jedoch dies zu befürchten, ziemt sich für einen anständigen Charakter.

Ich bin letzten Monat zwei Tage auf der Jagd gewesen, um jenes bittersüße Rittervergnügen kennenzulernen. Wir haben zwei Hasen und einige jämmerliche Rebhühner (in Netzen) gefangen. Wahrlich ein Vergnügen für Leute, die nichts zu tun haben! Ich theologisierte auch dort inmitten von Netzen und Hunden. Und wieviel Vergnügen mir diese Art (von Zeitvertreib) auch machte, soviel Mitleid und Schmerz war geheimnisvoll beigemischt. Denn was bedeutet dieses Bild anderes als den Teufel, der durch seine Nachstellungen und durch gottlose Magister, durch seine Hunde - nämlich durch die Bischöfe und Theologen - diese unschuldigen Tierlein jagt? Allzunahe lag diese allertraurigste Deutung auf die einfältigen und gläubigen Seelen. Es kam ein noch gräulicheres Erlebnis dazu: Als wir durch meine Bemühung ein Häschen am Leben erhalten hatten, indem ich es unter den Ärmel meines Mantels wickelte und ein Stück davonging, spürten die Hunde den armen Hasen auf, zerknackten ihm durch meinen Mantel hindurch den rechten Hinterlauf und bissen ihm die Kehle durch. Genauso wüten der Papst und der Satan, indem er auch die geretteten Seelen umbringt, und meine Bemühungen kümmern ihn nicht. Ich habe diese Jagdart wirklich satt! Ich halte die für erträglicher, bei welcher durch Speere und Pfeile die Bären, Wölfe, Eber und Füchse und dergleichen ruchlose Magister durchbohrt werden. Doch tröstet es mich, daß diese Ausdeutung viel näher auf Heil (der Seelen) paßt, wenn die Hasen und unschuldigen Tiere von Menschen gefangen werden, als wenn sie von Bären, Wölfen und gierigen Habichten und von den ähnlichen Bischöfen und Theologen gefangen werden , weil das bedeutet, daß sie hier zur Hölle, dort zum Himmel verschlungen werden. Die will ich Dir mit meinem Brief durch die Anspielungen sagen, damit Du weißt, daß Ihr Wildbrettfresser am Hofe auch im Paradies Wildbrett sein werdet, das der beste Jäger - Christus - kaum mit großer Anstrengung fangen und erhalten kann. Mit Euch wird gespielt, während Ihr Euer Spiel auf Jagden treibt!"
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Beilage 2

Tischgespräch Luthers nach Johannes Aurifaber, Tischreden oder Colloquia

"Poltergeister, so D. Luthern geplaget haben zu Wartburg in seinem Pathmo. Anno 1546, als D. Luther zu Eisleben war, erzählet er diese folgende Historien, wie ihn der Teufel zu Wartburg geplaget hätte, und sprach: Als ich Anno 1521 von Worms abreistete und bei Eisenach gefangen ward und auf dem Schloß Wartburg in Pathmo saß, da war ich ferne von Leuten in einer Stuben, und konnte Niemands zu mir kommen denn zwene edele Knaben, so mir des Tages zweimal Essen und Trinken brachten. Nu hatten sie mir einen Sack mit Haselnüssen gekauft, die ich zu Zeiten aß, und hatte denselbigen in einen Kasten verschlossen. Als ich des Nachts zu Bette ging, zog ich mich in der Stuben aus, thät das Licht auch aus, und ging in die Kammer, legte mich ins Bette. Da kömmt mirs über die Haselnüsse, hebt an und quizt (= quetscht) eine nach der anderen an die Balken mächtig hart, rumpelt mir am Bette; aber ich fragte nichts darnach. Wie ich nu ein wenig entschlief, da hebts an der Treppe ein solch Gepolter an, als würfe man ein Schock Fässer die Treppen hinab; so ich doch wohl wußte, daß die Treppe mit Ketten und Eisen wol verwahret, daß Niemands hinauf konnte; noch fielen so viel Fasse hinunter. Ich stehe auf, gehe auf die Treppe, will sehen was da sei; da war die Treppe zu. Da sprach ich: Bist du es, so sei es! Und befahl mich dem Herrn Christo, von dem geschrieben steht: Omnia subiecisti pedibus eius, wie der 8.Psalm sagt, und legte mich wieder nieder ins Bette.

Nu kam Hans von Berlips Frau gen Eisenach und hatte gerochen, daß ich aufm Schloß wäre, hätte mich gerne gesehen; es konnte aber nicht sein. Da brachten sie mich in ein ander Gemach, und hatten dieselbige Frau von Berlips in mein Kammer gelegt. Da hats die Nacht uber so ein Gerümpel in der Kammer gehabt, daß sie gemeint hätte, es wären tausend Teufel drinnen. Aber das ist die beste Kunst, ihn zu vertreiben, wenn man Christum anrüft und den Teufel veracht; das kann er nicht leiden. Man muß zu ihm sagen: Bist du ein Herr uber Christum, so sei es! Denn also sagte ich auch zu Eisenach."
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Beilage 3

Wappen der Familie v.Berlepsch


Tuschzeichnung von Otto Hupp

(Münchner Kalender 1915)

 

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