Erläuterung der Wappenteile

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Dr. Friedrich Ludwig Freiherr v.Berlepsch
Dr. phil. h.c., hannoverscher Hofrichter, Land- und Schatzrat und Publizist.

Ein Kämpfer für Recht und Ehre (1749 - 1818)

Der folgende Text ist entnommen aus der Dissertation von Heiko Leerhoff , August Lax Verlagsbuchhandlung (1970) und einer Würdigung von Albert Metz in "Hessische Heimat" (1980).

von Berlepsch klagt 1796 vor dem Reichskammergericht gegen landesherrliche Willkür.

Dr. Friedrich Ludwig Freiherr von Berlepsch war hannoverscher Hofrichter und Schatzrat sowie Publizist. Er wurde am 4. Oktober 1749 in Stade geboren und von einem Privatlehrer erzogen. Sein früh verstorbener Vater war Regierungsrat, sein Stiefvater Bodo Friedrich von Bodenhausen Minister in Hannover. Als zukünftiger Staatsbeamter studierte er drei Jahre in Göttingen Jurisprudenz. Seine Auditorzeit verbrachte er unter Leitung seines Stiefvaters in der Justizkanzlei und wurde Regierungsrat. Als fähigen Friedrich Ludwig Freiherr v.Berlepsch (1749 - 1818)Juristen berief ihn der Kurfürst, der in Personalunion König Georg III. von Großbritannien war, als hannoverschen Hofrichter, eines der höchsten Staatsämter. Weil er mehr Rechte für die Städte und Gemeinden forderte, wurde er 1796 auf Befehl des Landesherren ohne Angabe von Gründen und ohne Pensionsanspruch aus seinen sämtlichen Ämtern entlassen, eine sogen. demissio simplex. Der Kurfürst war von seinem Ministerium verhetzt worden, das einen Übergriff des französischen Revolutionsgeistes gegen die landesherrliche Autorität befürchtete.

Der erbitterte von Berlepsch strengte beim Reichskammergericht in Wetzlar einen Prozess auf Wiedereinsetzung in seine Ämter an, der in seinem langen Verlauf interessante Einblicke in die damaligen Verhältnisse gibt. Es gelang ihm, einen bedeutenden Juristen als Verteidiger zu gewinnen, den Professor Carl Friedrich Häberlein (1756-1808). Dieser bestritt dem Kurfürsten das Recht, eine Entlassung gegen einen Diener gegen dessen Willen ohne eine gerichtliche Untersuchung auszusprechen, zumal die Kurfürsten, besonders Georg III., beim Kaiser das Gesetz durchgesetzt hatten, daß keine Amtsenthebung ohne einen Richterspruch erfolgen könne, auch dürfe kein Land- und Schatzrat vom Landesherren entlassen werden, da er sein Mandat auf Lebenszeit erhalten habe.

Das Reichskammergericht war das oberste Gericht bei Klagen des Reiches gegen reichsunmittelbare Länder und Städte, u.a. bei Landfriedensbruch, bei Steuerschulden, Besitzstreitigkeiten und in besonderen Fällen bei Klagen von Untertanen gegen ihren Herren. Auch war es das Berufungsgericht in bürgerlichen Rechtsfragen für Land- und Stadtgerichte. Es hatte von 1689 bis 1806 seinen Sitz in Wetzlar.

Das Reichskammergerichtsgebäude umfaßte etwa 25 Zimmer, für die Protokollführer, Sekretäre, Kassierer, Kopisten, Archive und Boten sowie für die Kanzleien, die beiden Pedelle und das Inspektionszimmer, wo die Gerichtsakten eingesehen werden konnten und Beratungsräume für Kommissionen. Im ersten und zweiten Stock waren Räume für den ersten bis vierten Senat und ein kleiner Saal für die "vollen" Ratssitzungen. Bei diesen präsidierte der Kammerrichter auf einem Armsessel neben ihm die beiden Präsidenten und an dem länglichen Tisch das Richterkollegium, die rund 20 Beisitzer, der Kanzleiverwalter und der Sekretär. Die Wände waren mit Bildern von Kaiser Franz I., der Kurfürsten König Friedrich dem Großen von Preußen und König Georgs III. von Großbritannien geschmückt. In dem großen Audienzsaal führte der Kammerrichter, der den Rang eines Fürsten hatte, den Vorsitz auf einem Throne mit dem Zepter in der Hand. Zu beiden Seiten von ihm saßen die Beisitzer. An der rechten Seitenwand des Saales waren die Bänke mit den Pulten der Prokuratoren (Justizräte und Agenten, d.h. Vertreter der Fürsten und der Reichsräte) und hinter ihnen die Schreiber. Gegenüber stand ein langer Tisch für die Subalternen des Gerichts. Die erhöhte Galerie für die Zuschauer faßte etwa 70 Personen.

Friedrich Ludwig Freiherr von Berlepsch ist im Mai 1797 persönlich mit seinem Anwalt vor dem Reichskammergericht erschienen.

Es waren unruhige Kriegszeiten als von Berlepsch in Wetzlar weilte. Im Jahre 1789 war die französische Revolution ausgebrochen. Trotz des Waffenstillstandes hatten französische Truppen den Rhein überschritten, sie wurden in der Schlacht bei Wetzlar von Erzherzog Karl von Österreich geschlagen. Sie konnten aber bei einem neuen Vorstoß die Stadt besetzen und hier ihr Hauptquartier einrichten. Der oberkommandierende General Hoche starb im sogenannten Herzoglichen Haus am 19. September 1797 und wurde mit einem prunkvollen Trauergeleit nach Koblenz überführt. Friedrich Ludwig Freiherr von Berlepsch hatte eine Unterredung mit dem französischen General, was ihm in Hannover später als Landesverrat ausgelegt wurde.

Das Reichskammergericht erkannte am 30.Januar 1798 das gewünschte Mandat auf von Berlepschs Wiedereinsetzung in seine Ämter an, doch die hannoverschen Ministerien opponierten. Als der Bote das Reichskammergerichts-Urteil ihnen zustellen wollte, wurde er gewaltsam "vors Tor befördert". Das Gericht habe dem König den schuldigen Respekt verweigert. Gegen den Beschluß richteten sie im Auftrag des Königs ein Schreiben an das Plenum des Reichskammergerichts mit der Forderung, das Urteil aufzuheben, das durch den hannoverschen Prokurator von Zwirlein an den zuständigen Senat weitergeleitet wurde.

Dr. Hans Karl von Zwirlein stammte aus einer angesehenen Juristenfamilie, schon sein Vater und sein Großvater waren Prokuratoren des Reichskammergerichts gewesen. Er besaß damals ein großes Haus am Wöllbacher Tor und ein »bemerkenswürdiges" Sommerhaus mit Garten, den sein Großvater Johann Jakob Mitte des 18. Jahrhunderts im Barockstil vor dem Obertor angelegt hatte. Zwirlein erhob nun gegen das Reichskammergericht den Vorwurf "der Vorliebe für gerichtliche Formalitäten" und die hannoversche Regierung verlangte die Annullierung des Urteils. Der Prokurator v. Zwirlein hatte als Vertreter Hannovers viel Ärger, besonders durch den unversöhnlichen Hauptgegner Berlepschs, den Geheimsekretär August Rudolf, und forderte diesen vergeblich zur Nachsicht auf. Imponierend ist die klare Linie, die das Reichskammergericht in dem ganzen langen Prozeß verfolgte.

Am 17. April 1799 erteilte das Reichskammergericht das Exekutionsmandat und beauftragte den König von Preußen Friedrich Wilhelm III. zusammen mit dem Herzog von Braunschweig, von Berlepsch wieder in seine Ämter einzusetzen, was der Herzog jedoch ablehnte, um die Freundschaft mit England nicht zu verspielen. Aber Preußen forderte den Kurfürsten von Hannover - leider erfolglos - auf, mit von Berlepsch zu einem gütlichen Ausgleich zu kommen. Dieser wäre mit einer ehrenvollen Pensionierung einverstanden gewesen.

Viele Zeitschriften und Zeitungen haben von Berlepsch bei seinem Kampf gegen die Sturheit der Behörden unterstützt. Besonders der gebildete Teil der Bevölkerung nahm Anteil und betrachtete die politischen und rechtlichen Folgen des Falles als eine Angelegenheit aller freisinnigen Menschen. Bei einer Reise zum Reichskammergericht hat von Berlepsch in der Universitätsstadt Marburg im Dezember des Jahres 1800 "von den Studenten eine Musik erhalten. Sie haben ihm ein Vivat zugerufen und ihm dabei die Bezeichnung des Verteidigers vaterländischer Rechte gegeben" (nach einem Bericht an den Landgrafen von Hessen-Kassel).

Die Veröffentlichungen von Berlepschs mußten leider wegen der Kriegswirren ohne Erfolg bleiben. Große Teile des Reiches waren schon von den Franzosen erobert. Im Jahre 1803 besetzte Napoleon kurzerhand das Kurfürstentum Hannover und gründete das Königreich Westfalen. Kaiser Franz II. (1768-1835), der von den deutschen Reichsfürsten im Stich gelassen wurde, erlitt durch Napoleon eine verheerende Niederlage bei Austerlitz und mußte 1806 auf Drängen des Siegers die alte Reichskrone niederlegen. Gleichzeitig mit dem "Heiligen Römischen Reich deutscher Nation" verschwand auch das Reichskammergericht und Wetzlar wurde eine preußische Kreisstadt.

Die Schaffung des Reichskammergerichts 1495 war ein Markstein der Rechtsgeschichte. Ein unabhängiges Oberstes Gericht übte Rechtsprechung aus. Nur die Hälfte der Beisitzer, die damals Assessoren hießen, wurde von dem Kaiser berufen. Der erste Kammerrichter war Eitel Friedrich Graf von Zollern. Sein Bild schmückt heute den Lichthof des Bundesgerichts in Karlsruhe. Das Reichskammergericht, das im 15. Jahrhundert in Frankfurt und dann in anderen Städten tagte, kam aus dem von den Franzosen zerstörten Speyer nach Wetzlar. Der letzte Kammerrichter war Graf Heinrich von Reigersberg. Er besaß seit 1803 einen parkartigen Garten, der im englischen Stil mit Lindenalleen angelegt war, und dabei ein Sommerhaus an der Hausergasse, wo später die Buderus'sche Hauptverwaltung und die Villa des Generaldirektors E. Kaiser erbaut wurden. Nachdem der Kaiser 1806 das Reichskammergericht aufgelöst hatte, verließ Graf Reigersberg die Stadt und das schöne Anwesen kam in den Besitz des Kaufmanns Johann Heinrich Debus.

Wie von Berlepsch angibt, hatte er sich nicht danach gedrängt, in die westfälischen Dienste des Königs Jerome zu treten. Nachdem er die angebotene Präfektur des Fuldadepartements abgelehnt hatte, nahm er schließlich 1808 die Stelle des Präfekten des Werradepartements an. Er fühlte sich verpflichtet, die Bevölkerung so viel wie möglich vor Ausbeutung zu schützen und verlangte die Senkung der Steuerlasten. Trotzdem wurde er von König Jerome 1809 zum Mitglied des Staatsrates ernannt. Auf Grund der Vorhaltungen von Berlepsch verzichtete Jerome 1811 nach dem Brand des Schlosses auf eine besondere Steuer für den Wiederaufbau. Auch verhinderte von Berlepsch die beabsichtigte Schließung der Universität Marburg. Öffentlich beschwerte er sich über die Steuererhöhungen, woraufhin er 1813 aus dem Staatsdienst Jeromes entlassen wurde.

Kaum war der "Freiheitsmörder Napoleon", wie ihn von Berlepsch nannte, aus Deutschland vertrieben, griff dieser wieder das Reichskammergerichtsurteil auf Wiedereinsetzung in seine Ämter auf, jedoch die neue hannoversche Regierung blieb bei der Nichtanerkennung und dem schon früher ausgesprochenen Landesverbot. 1816 siedelte von Berlepsch in das preußische Erfurt über, wo er 1818 starb. Seine Söhne betrachteten sich als Erben von Berlepschs Entschädigungsanspruch für die damalige Dienstentlassung. Der neue Monarch in Hannover, Wilhelm IV., fand sich endlich zu einem Kompromiß bereit und zahlte 12000 Reichstaler an von Berlepschs Erben. Ein später Sieg nach einem Rechtsstreit von 27 Jahren, für den Friedrich Ludwig Freiherr von Berlepsch ein großes Vermögen geopfert hatte.

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